Österreichischer Verfassungsgerichtshof setzt erstmalig eine Griechenlandabschiebung aus

Nach zwei Meldungen von ORF.at (eins, zwei) hat der Verfassungsgerichtshof Österreichs eine Dublin II-Abschiebung nach Griechenland untersagt.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat die Überstellung schutzbedürftiger Flüchtlinge nach Griechenland zwar nicht generell untersagt, allerdings mit einer neuen Auflage verbunden. Künftig müssen die Behörden eine „fallbezogene individuelle Zusicherung“ der griechischen Kollegen einholen, dass die Asylwerber auch tatsächlich betreut werden.
[…]
Der VfGH erklärte die Abschiebung nun […] für verfassungswidrig. Grund: Der Asylgerichtshof hatte in dem Verfahren zwar selbst die Frage aufgeworfen, ob die Familie – immerhin war die Frau mit einem sechs- und einem dreijährigen Kind sowie einem Neugeborenen unterwegs – in Griechenland überhaupt versorgt würde, hatte diese Frage aber nicht verlässlich beantwortet.

Stattdessen gab sich der Asylgerichtshof mit einem allgemeinen Hinweis des Bundesasylamts zufrieden, wonach bei besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen zumindest die vorläufige Unterbringung in Griechenland gewährleistet sei, wenn die Abschiebung rechtzeitig angekündigt wird. Aus Sicht der Verfassungsrichter wäre jedoch eine individuelle Zusicherung der Versorgung durch Griechenland nötig gewesen. Die Überstellung wurde daher mit Verweis auf das Verbot von Folter und unmenschlicher Behandlung (Artikel 3 Menschenrechtskonvention) aufgehoben.

UNHCR: Übersicht über Handhabung des Selbsteintrittsrechts in den Dublin-Staaten

Der UNHCR hat am 16. Juni 2010 eine Übersicht über die nationale Handhabung des Selbsteintrittsrechts in den Dublin-Staaten veröffentlicht:

UN High Commissioner for Refugees, UNHCR Information Note on National Practice in the Application of Article 3(2) of the Dublin II Regulation in particular in the context of intended transfers to Greece, 16 June 2010

Materialmappe für die Beratung von Flüchtlingen im Dublin-Verfahren

Maria Bethke (Asylverfahrensberaterin in Gießen) und Dominik Bender (Rechtsanwalt in Frankfurt) haben eine Materialmappe für die Beratung von Flüchtlingen im Dublin-Verfahren erstellt, welche eine essentielle Hilfe für jede Beratungsstelle darstellt.

Download (Materialmappe:) Beratung von Flüchtlingen im Dublin-Verfahren (Stand der Druckversion 21.12.2010, die Online-Version enthält eine Beilage mit Aktualisierungen vom 21.1.2011).


1. Einführung
2. Prüfschema Dublinverfahren – Welcher Staat ist zuständig?
3. Ablauf des Dublinverfahrens, wenn in Deutschland ein Asylantrag gestellt wird
4. Hinweise für die Beratung von
4.1. Flüchtlingen ohne Asylantrag
4.2. Unbegleiteten Minderjährigen
4.3. Flüchtlingen mit für Eurodac nicht verwertbaren Fingerabdrücken
4.4. Flüchtlingen mit „Griechenlandverfahren“
5. Anmerkungen zur Situation in den einzelnen Bundesländern
5.1. Hessen
6. Vorschlag zum Vorgehen, wenn es Hinweise auf ein Dublinverfahren gibt
7. Fragebogen Dublinverfahren – Fragen an Klienten in der Beratung
8. Typische Fallkonstellationen, in denen man gegen eine Überstellung vorgehen kann
9. „Am Rande des Rechts“ – Aufsatz zur Problematik der Dublin-IIVerordnung
10. „Sag mir, wie alt du bist!“ – Aufsatz zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen im Dublinverfahren

Großbritannien, Dänemark: Abschiebungen nach Griechenland ausgesetzt

Dänemark stoppt Abschiebungen nach Griechenland
Nach der erfolgreichen Klage des Danish Refugees Council vor dem Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Dänemark 203 Abschiebungen nach Griechenland vorübergehend gestoppt. Der Danish Refugee Council kritisierte, dass es absolut keine Garantie für die Bearbeitung von Asylgesuchen in Griechenland gäbe. Dänemark sieht bisher davon ab das Selbsteintrittsrecht anzuwenden. Rund 400 Asylbewerber in Dänemark sind in Gefahr, gewaltsam nach Griechenland zurück abgeschoben zu werden.

Großbritannien setzt Dublin II Abschiebungen nach Griechenland aus
Wie die National Coalition of Anti-Deportation Campaigns meldete, gab am 20. September die UK Border Agency bekannt, Abschiebungen von Asylsuchenden nach Griechenland auszusetzen. Mit sofortiger Wirkung macht Großbritannien von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch und übernimmt die rund 1.300 ausstehenden Asylentschiede sowie alle neuen Asylanträge.

BVerfG verhandelt am 28. Oktober

Wie das Bundesverfassungsgericht heute mitgeteilt hat, wird die mündliche Verhandlung zu Dublin II am 28. Oktober stattfinden.

Verhandlungsgliederung

A. Einführende Stellungnahmen (je 10 Minuten)
B. Zulässigkeit
C. Anwendbarkeit des Art. 16a Abs. 2 GG im europäischen System der verteilten Asylzuständigkeit
D. Art. 16a Abs. 2 GG und das Konzept der normativen Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat
– Verfassungsrechtliche Grundlagen des Konzepts der normativen Vergewisserung
– Ausnahmen vom Konzept der normativen Vergewisserung
– Anwendbarkeit des Konzepts der normativen Vergewisserung bei EU-Mitgliedstaaten
– Darlegungsanforderungen für die Annahme eines Ausnahmefalls
E. Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II Verordnung)
– Mögliche Rechtspositionen aus der Verordnung
– Bedeutung für den einstweiligen Rechtsschutz
F. Folgeerwägungen und abschließende Stellungnahmen

Schweden: Fünf Abschiebungen nach Griechenland gestoppt

Das Migrationsgericht in Malmö hat fünf Abschiebungen von Asylsuchenden nach Griechenland gestoppt.

UNHCR:

Two rulings from the Migration Court in Malmö stopped the return of five asylum-seekers to Greece. The five asylum-seekers: two women and their three children, first sought asylum in Greece, where they were rejected. The Migration Court however finds that the asylum process in Greece is seriously flawed, that asylum-seekers will potentially not be given a fair trial, and are at risk of refoulement, in spite of possibly dire protection needs. The Court therefore suggests that Sweden should take over the assessment of the asylum applications. In 2008, the Migration Court decided that asylum-seekers could be returned to Greece but the court now states that Greek legislation has since deteriorated. UNHCR has refused to participate in the Greek asylum process. The Greek committee that previously tried appeals has been annulled, and the right to appeal has been limited. The Migration Court also mentions in the verdicts that only 1.2 per cent of all asylum applications, and 2 per cent of appeals, were approved by the Greek authorities. The Migration Court stresses that UNHCR has shown that the Greek rejections are standardised, and lack detailed legal discussions, references to case-specific facts, and country information. The court bases its decisions on a ruling by the European Court of Justice, calling on EU member states to halt the transfer of asylum seekers to Greece. The verdict was later appealed by the Migration Board, to the Migration Court of Appeal, the highest authority for cases concerning migration. This year, Sweden has returned 395 asylum-seekers to Greece.

Aktionen in Dortmund und Hamburg

Am 28. Mai fanden in Dortmund und Hamburg kleine feine Aktionen statt, mit der der Forderung nach einem Stopp der Dublin II-Abschiebungen nach Griechenland nochmal Nachdruck verliehen wurde.

Dortmund

Axel Christof, Referatsleiter in der Bundesamtsaußenstelle in Dortmund, wollte den für ihn vorbereiteten „Dublin II-Award“ in Form einer Stachledrahtblume zunächst nicht annehmen. Die extra aufgebotene Security am Haupteingang hatte den Auftrag, allenfalls ein Papier aber keine Gegenstände zu akzeptieren. Ihm wurde deshalb ein entsprechendes Plakat übergeben (siehe Fotos). Aber als dann in den Schlussworten der Kundgebung angedeutet wurde, dass ihm der Original-Award nach Hause gebracht würde, kam keine zwei Minuten später ein neuer Bote: Axel Christof wolle die Stacheldrahtblume jetzt doch gleich annehmen!

Immer wieder haben die Bundesamts-Beschäftigten aus den Fenstern gelinst und offensichtlich den lautsprecherverstärkten Redebeiträgen zuhören müssen. Das Dublin-Referat wurde darin verantwortlich gemacht für tausendfache Abschiebungen, für unzähliges Leid bis hin zum Tod von Flüchtlingen und MigrantInnen, die auf Initiative des Referats 431 in die Außengrenzenländer der EU zurückgeschoben werden. Insbesondere die katastrophale und krisengeprägte Situation in Griechenland wurde nochmals dargestellt; der fortgesetzte Versuch der Behörden, Flüchtlinge dorthin zurückzuschieben, ist ein besonderer Skandal. Axel Christof gehört zu den Hardlinern bei der Durchsetzung von Dublin-II-Abschiebungen, er wurde deshalb im Redebeitrag als Schreibtischtäter angesprochen.

Knapp 20 Menschen haben sich an dem frühmorgendlichen Protest beteiligt und mit Transparenten und Fotoplakaten den Eingangsbereich „demonstrativ umgestaltet“. Trotz großem Polizeiaufgebot wurden die Bundeamt-Beschäftigten wie auch die zu den Anhörungen einbestellten Flüchtlinge aber über einen Hintereingang ins Gebäude gelotst. Insofern war es umso wichtiger, mit einer Lautsprecheranlage das Gebäude zu beschallen. Dublin-II-Rückschiebungen stoppen und Auflösung des Referats 431 – die zentralen Botschaften der Redebeiträge konnten von den Angestellten im Gebäude gut verstanden werden – jedenfalls akkustisch!

Hamburg

Antirassismus-AktivistInnen präsentieren das Bild der geläuterten Innenminister der Frühjahrs-IMK (Innenministerkonferenz). Mit überraschenden Erkenntnissen haben Antirassismus-AktivistInnen am Freitag den Medien ein alternatives Bild der Innenminister präsentiert. Die geläuterten Innenminister legten in ihrer Kaminrunde am Mittwochabend neue, veränderte Richtlinien für die deutsche Flüchtlingspolitik fest. Geschlossen treten sie am Donnerstag um 13.15 Uhr zum alternativen Pressefoto vor dem Grand Hotel Elysée, Rothenbaumchaussee 10 an und visualisierten ihre „anderen“ Beschlüsse.

Griechenland bittet Norwegen um Dublin II-Stopp

Wie aus diesem Artikel hervorgeht, ist die Situation für Asylsuchende in Griechenland immer noch so schlimm, dass sogar der griechische Staat keine andere Lösung sieht als eine Aussetzung der Dublin II-Abschiebungen.

Greek authorities have called on Norway to stop sending asylum seekers back because they don’t have enough money. […] Greece is signatory to the Dublin-II Convention, meaning all refugees have to be sent back to the country where they first applied for asylum. However, the Greeks have called for the convention to be amended because they feel it’s both disloyal and unfair. Pål Lønseth, State Secretary at the Ministry of Justice, says they won’t be changing their policy, though. According to NRK, he claims the burden on society would be too big in relation to the size of Norway’s population. There are 20,000 spaces for 18,000 registered refugees in Norway, but Greece only has 865 to cover 25,000.
“European countries have to show each other solidarity. I think Norway can afford it,” says Jannis Tassopoulos, Director of the Section for Vulnerable Groups at the Greek Ministry of Health.

Abschiebestopp in Frankreich

Das französische oberste Verwaltungsgericht (Conseil d’État) hat die Dublin II-Abschiebung einer palästinensischen Familie nach Griechenland gestoppt. Die Familie war im Oktober 2009 auch in Pagani inhaftiert und hatte es dann nach Marseille geschafft. Es ist die erste solche Entscheidung des Verwaltungsgerichts.

Aus dem Urteil (Übersetzung):

Therefore, in the particular circumstances of the case, their readmission to Greece would be a severe and manifestly illegal impairment of the fundamental freedom of the right to asylum.

Kundgebung in Dortmund (28. Mai)

“Dublin”-Abschiebungen stoppen – nach Griechenland und überhaupt!
Kundgebung 28.05.10 – ab 07:00 Uhr / Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Dortmund / Huckarder Straße 91

In Griechenland ist der Zugang zum Asylverfahren für Schutzsuchende so gut wie nicht vorhanden: Unrechtmäßige Rückschiebungen in die Türkei sind an der Tagesordnung, monatelange Internierungen in geschlossenen Lagern die Regel. Die Anerkennungsquote liegt bei unter 1%, Tausende von Flüchtlingen und Migrant_innen stecken mittel- und obdachlos in Athen fest. Die Griechische Regierung hat zwar Reformen angekündigt, doch die neuen Gesetze werden frühestens nach dem Sommer verabschiedet. Ihre Umsetzung steht nicht nur angesichts der schweren ökonomischen Krise in den Sternen. Dennoch wird auch von deutschen Behörden immer wieder versucht, Flüchtlinge nach Athen zurückzuschieben. Grundlage ist die Asylzuständigkeitsverordnung, auch kurz Dublin II genannt.

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