…der Fingerabdruck in Italien ist ein verstecktes Gefängnis für uns.
Gruppeninterview mit eritreischen Flüchtlingen in Oberursel am 17.07.2011
PDF-Version zum Ausdrucken: Dublin muss brennen
Im Oberurseler Containerlager trafen wir uns mit eritreischen Flüchtlingen, um über die Flüchtlingssituation in Italien zu sprechen. Momentan leben sie in verschiedenen Flüchtlingslagern in Hessen. Sie alle haben Angst bald wieder nach Italien abgeschoben zu werden. Denn ihre Fingerabdrücke wurden bei ihrer Flucht nach Europa dort registriert. Manche von ihnen haben gar einen humanitären Aufenthaltsstatus in Italien – der ihnen jedoch nicht viel nützt, denn die Lebenssituation in Italien ist unerträglich für sie. Nachdem durch ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes die sogenannten Dublin-Überstellungen nach Griechenland vorläufig gestoppt sind, ist Italien das Land, in welches die meisten Menschen innereuropäisch abgeschoben werden. Wir sprachen nicht allein über die konkreten Erlebnisse in Italien, sondern auch generell über die Auswirkungen der Dublin II-Regelung. Wir geben das Gespräch in leicht gekürzter Form wieder. Trotz der Kürzungen läßt sich erahnen, dass die Gedanken in diesem „versteckten Gefängnis“ oft verzweifelt kreisen. Selbst die Zuhörenden packt diese Verzweiflung manchmal. Wir sind dennoch überzeugt: es lohnt sich immer wieder zuzuhören. Denn das Teilen der Momente von Verzweiflung schafft die Grundlage geteilter Wut, mit der wir die Dublin II-Verordnung auf den Müllhaufen der Geschichte fegen können.
w2eu: Was bedeutet Dublin für Euch?
Osman: Das ist eine komplizierte Frage. Für mich ist es wie eine Sperre. Ich bin eingeschlossen. Es ist eine andere Art, um zu sagen: „Wir wollen Euch nicht. Geht dahin zurück, woher ihr kommt.“
Samuel: Dublin ist nicht fair den Menschen gegenüber. Wir sind in einer sehr schlechten Situation. Dublin ist eingeführt worden, um Einwanderung zu kontrollieren, besonders aus Afrika. Es ist eine andere Form, diejenigen zu foltern, die sprachlos sind, diejenigen ohne Stimme. Dublin bedeutet, dass wir kein Recht haben, über irgend etwas zu sprechen, nicht einmal über Dublin selbst. Dublin bedeutet für mich, an einen Ort entführt zu werden, an dem wir ohne Stimme und ohne Hoffnung festgehalten werden. Es bestimmt unser Leben. Continue reading ‘Dublin* muss brennen!’