Monthly Archive for April, 2012

Dublin II kippen! Aktionstag an den fünf größten deutschen Abschiebeflughäfen

Am 30.März demonstrierten an fünf Flughäfen (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München) mehr als 700 Menschen gegen innereuropäische Abschiebungen. Denn gemäß der sogenannten Dublin II-Verordnung werden Tausende von Flüchtlingen mit Gewalt in die Länder der EU zurückgezwungen, die sie auf ihrem Fluchtweg gekreuzt haben.

In Italien erwartet die Abgeschobenen dann ein Leben in Obdachlosigkeit und Armut, in Ungarn Haft unter besonders menschenunwürdigen Umständen oder in Malta völlige Perspektivlosigkeit. Viele fliehen daher erneut, um in anderen europäischen Staaten endlich Schutz zu finden – werden letztlich aber wie ein Spielball innerhalb Europas hin- und hergeschoben.

Auf den Kundgebungen kamen Betroffene zu Wort: afghanische und somalische Flüchtlinge, die von solchen Abschiebungen bedroht waren oder sind und die sich wehren gegen dieses unmenschliche Abschiebesystem.

Unterstützen wir diesen Widerstand! Schauen wir uns um auf den Flügen nach Rom, Budapest oder Valetta! Stehen wir auf gegen Abschiebungen!  Im wahrsten Sinne des Wortes: denn als Passagiere an Bord können wir Abschiebungen verhindern, indem wir uns nicht anschnallen sondern aufstehen und uns beim Piloten beschweren.

Das Dublin II-System muss umgehend abgeschafft werden!

Keine Abschiebungen ins soziale Elend an den Rändern Europas!

Asylsuchende müssen dort Schutz suchen dürfen, wo sie möchten!

Für ein Europa, das Willkommen heißt.

Im Folgenden kurze Eindrücke aus den verschiedenen Städten:

 

Berlin:

In Berlin Tegel protestierten gut 150 Personen, verteilt auf eine Kundgebung direkt vor dem Haupteingang des Terminals A und ca. 20 Personen im Inneren des Gebäudes. Die Kundgebung draussen brachte mit vielen und langen Transpis und vielen Redebeiträgen die Inhalte des Aktionstages an die vorbeieilenden Passagiere – Transpis unter anderem gehalten von Bolzenschneider_innen auf Stelzen und Redebeiträge unter anderem gehalten von Menschen die von einer Dublin-II-Abschiebung bedroht sind. Drinnen war es ruhig und klein aufgrund strenger Auflagen. Aber gerade das, und eine Performance des Grips-Theaters von Leuten, die in Plastik-Gewebetaschen sitzen und stumm ihr (unfreiwilliges) Flugticket in die Höhe halten, erzielte Aufmerksamkeit. Direkt nach Abpfiff der Kundgebung sorgten dann noch etliche Aktivist_innen mit Anti-Abschiebungs-Aufklebern dafür, dass ein paar Spuren am Flughafen.

Bilder von Berlin: http://www.demotix.com/news/1133296/nationwide-protest-against-dublin-ii-deportations-berlin

Düsseldorf:

Gegen 17 Uhr fanden sich die ersten Leute in der großen Abflughalle am Terminal B des Düsseldorfer Flughafens ein, um gegen die europäische Dublin II Verordnung zu demonstrieren. Der Demonstrationszug wuchs innerhalb der ersten halben Stunde auf ca. 80 Personen an und vergrößerte sich im Laufe der Zeit noch bis auf fast 100 Menschen. Mehrere Redebeiträge wurden in unterschiedlichsten Teilen der Halle gehalten, wobei auf die unerträglichen Zustände in den Ländern hingewiesen wurde, in die Deutschland regelmäßig abschiebt. Auch erschreckende Zitate und Berichte von hin- und hergeschobenen Flüchtlingen wurden verlesen. Immer wieder wurden auch Hinweise an die Reisenden verlesen und in Form von Flyern verteilt, wie sie denn reagieren könnten, wenn sie Abzuschiebende in ihrem Flieger wahrnehmen um sich mit diesen zu solidarisieren und die gewaltsame Abschiebung zu verhindern. Air Berlin wurde erneut für ihre Beteiligung an der Abschiebemaschinerie kritisiert und einige Passagiere fragten das Personal auch prompt danach. Akkordeonmusik, viele Transparente, lautstarker antirassistischer Protest und über 600 verteilte Flyer störten den reibungslosen Ablauf im Flughafen. Auch mehrere Runden über die Rolltreppen im Mittelteil der Abflughalle amüsierte die Demoteilnehmer_innen und sorgten für Aufmerksamkeit. Die Polizei war diesmal sehr präsent aber zurückhaltend.

Vom 13.-22.Juli findet in Köln ein Nobordercamp statt. Am 21.Juli wird es in diesem Rahmen eine große Demonstration am Düsseldorfer Flughafen geben, die sich vor allem gegen (durch Frontex organisierte) Charterabschiebung richtet. Ausführende Airline ist dabei in der Regel Air Berlin. Mehr zum Nobordercamp: http://noborder.antira.info/

Mehr siehe: http://de.indymedia.org/2012/04/327779.shtml

Webseite von Abschiebestopp Düsseldorf: http://abschiebestop.blogsport.de/

Frankfurt:

In Frankfurt demonstrierten 250 AktivistInnen durchs Terminal 1. Es gab an fünf Stationen Redebeiträge hauptsächlich von Flüchtlingen, die von innereuropäischen Abschiebungen bedroht waren oder sind. Den Anfang machte Pro Asyl zum Abschiebestopp nach Griechenland. Vor den LH-Schaltern hatten dann haben drei jugendliche Flüchtlinge aus Somalia das Wort und sprachen über die unerträglichen Haft- und Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Ungarn. Neben allem schweren brachten sie auch deutlich rüber wie viel es ihnen bedeutet vor solidarischen Leuten zu sprechen. Vor der Bundespolizei sprach ein Flüchtling aus Somalia, der zugleich auch die Demo gefilmt und dokumentiert hat für somalisches Fernsehen. Er ist von Abschiebung nach Italien bedroht und hielt eine bewegende Rede. Bei Air Malta haben zwei AktivistInnen der Vernetzung gegen Abschiebung de Geschichte einer verhinderten Dublin-Überstellung nach Malta nacherzählt – denn Aufstehen gegen Abschiebung lohnt sich. Am Ende gab es noch einen Beitrag eines Jugendlichen, der eine Odyssee durch viele EU-Länder auf der Flucht vor Abschiebung nach Ungarn hinter sich hat. Er beschrieb eindrücklich was DublinII mit den Biographien der Betroffenen macht – und mit der klaren Ansage: “In Europa wird immer über Menschenrechte gelabert. Nach Afghanistan schickt ihr Soldaten angeblich wegen den Menschenrechten. Aber wenn wir nach Europa kommen kriegen wir genau diese Menschenrechte nicht. Stattdessen werden wir rumgeschubst und finden keine Ruhe.” Es gab null Auflagen oder Probleme seitens der Polizei – sie sind offenbar momentan über die montäglichen Fluglärmdemos schlicht anderes gewohnt. Beeindruckend war, dass mehr als ein dutzend Leute dabei waren, die über die Fluglärmdemos mobilisiert wurden – und die gleich vorschlugen, doch jeden Freitag gegen Abschiebungen zu demonstrieren.

Hamburg:

Gegen 18 Uhr haben sich im Terminal 1 des Hamburger Flughafens etwa 150 Menschen versammelt, um allgemein gegen Abschiebungen und ganz speziell gegen die Dublin II-Verordnung zu protestieren. Einige Stewardessen von NODEPORTATION AIRLINES haben etwas andere Flugsicherheitshinweise an die Reisenden am Flughafen vermittelt, nämlich was diese im Falle einer Abschiebung tun können, um den Betroffenen beizustehen. Ein Rapper erzählte mit seinen Liedern von Abschiebung und einem Leben auf der Flucht. In mehreren Redebeiträgen wurde auf die Situation der Flüchtlinge aufmerksam gemacht, über die Dublin II-Verordnung informiert, die Kollaboration von Air Berlin bei Sammelabschiebungen der EU-Grenzschutzagentur Frontex öffentlich gemacht und zu Widerstand gegen (innereuropäische) Abschiebungen aufgerufen. Mit vielfältigen Aktionen wurden die, leider größtenteils in ein anderes Terminal geleiteten Reisenden, angesprochen und informiert.

Nach einer lauten – angemeldeten und genehmigten – Demonstration zur Kaserne der Bundespolizei am Flughafen kam es zu ersten Schikanen der Polizei, die es einzelnen Menschen und kleinen Gruppen nicht erlaubte, sich von der Demonstration zu entfernen. Im weiteren Verlauf der Kundgebung und Demonstration setzte die Polizei rücksichtslos Pfefferspray und Schlagstöcke ein, auch im Terminal, und von drei Personen wurden Personalien aufgenommen. Eine Stewardess von NODEPORTATION AIRLINES wurde in Gewahrsam genommen. Zwei Teilnehmer_innen mussten im Krankenhaus behandelt werden.

Siehe auch einen bebilderten Bericht bei Indymedia und auf dem Blog von Kein Mensch ist illegal Hamburg: http://de.indymedia.org/2012/03/327611.shtml und http://kein-mensch-ist-illegal-hh.blogspot.de/2012/03/blog-post.html

München:

Am Flughafen in München fand ein Flashmob beim Lufthansa Check-In und im Anschluss eine Demonstration mit ca. 150 TeilnehmerInnen statt. Das Motto: Abschiebungen stoppen – Dublin 2 kippen.

Das Video vom Flashmob könnt ihr euch hier anschauen: http://www.youtube.com/watch?v=nboMTQaOCwc&feature=youtu.be

 

Medienberichte:

Prüfen und buchen (Süddeutsche Zeitung, 26.03.2012)

Abflug ins Ungewisse (Süddeutsche Zeitung, 26.03.2012)

Hoffen, zusammenbrechen, hoffen (Süddeutsche Zeitung, 26.03.2012)

“Sie spielen Fussball mit uns” (taz 29.03.2012)
Wo man mit Menschen umgeht wie mit Apfelsinenkisten (Neues Deutschland 30.03.2012)

Tausenden deportiert (Junge Welt 31.03.2012)

 

 Länderberichte:

 

Ungarn: Zur Flüchtlingssituation in Ungarn zwischen Haft und Obdachlosigkeit ist kürzlich ein Bericht von bordermonitoring.eu und Pro Asyl erschienen: http://content.bordermonitoring.eu/bm.eu–ungarn.2012.pdf

Italien: Zur Situation von Flüchtlingen in Italien von Dominik Bender und Maria Bethke: http://www.proasyl.de/fileadmin/fm-dam/q_PUBLIKATIONEN/2011/Italienbericht_FINAL_15MAERZ2011.pdf

 

 

 

Bericht über den Dublin II Aktionstag am 30.3. am Düsseldorfer Flughafen

Gegen 17 Uhr fanden sich die ersten Leute in der großen Abflughalle am Terminal B des Düsseldorfer Flughafen ein um gegen die europäische Dublin II Verordnung zu demonstrieren. Continue reading ‘Bericht über den Dublin II Aktionstag am 30.3. am Düsseldorfer Flughafen’

Bericht zur Situation der Flüchtlinge in Ungarn

Neue Veröffentlichung von bordermonitoring.eu und Pro Asyl zur Situation der Flüchtlinge in Ungarn.

Dieser Bericht stützt sich (neben der Auswertung schriftlicher Quellen) vor allem auf die Berichte von Flüchtlingen, die wir bei verschiedenen Recherchereisen im Zeitraum von Dezember 2010 bis Dezember 2011 in Budapest, Debrecen, Bicske, Fót und Balassagyarmat trafen. Weitere Berichte erhielten wir von Flüchtlingen, die aus Ungarn weitergeflohen sind und von der Abschiebung nach Ungarn bedroht waren oder sind. Der Bericht dokumentiert systemische Mängel hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende und des Zugangs zu einem fairen Asylverfahren in Ungarn.

siehe auch:

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