Es hat mich alles an das Gefängnis des syrischen Geheimdiensts erinnert

Die Chancen, in Griechenland Flüchtlingsschutz zu erhalten, sind verschwindend gering. Nur 358 Flüchtlinge wurden 2008 anerkannt, davon 339 aus dem Irak, sechs aus Afghanistan und je einer aus Somalia und Syrien. 21 Personen erhielten subsidiären Schutz. Auch 2009 lag die Schutzquote nur bei ca. 0,5 %. Ende 2009 waren 48.201 Verfahren anhängig, davon 45.079 im Widerspruchsverfahren. Während des Verfahrens erhalten die Flüchtlinge keinerlei Unterstützung. Es gibt weder Unterkunft, noch medizinische Hilfe oder eine Grundversorgung mit Lebensmitteln. Nur für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge stehen einige Unterkünfte zur Verfügung: in ganz Griechenland gibt es 405 Heimplätze für ca. 6.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Der 27-jährige Zewar Ali aus Syrien, der am 08.09.2009 von Deutschland aus nach Griechenland abgeschoben wurde, hat selbst erlebt, unter welchen Bedingungen sich ein abgeschobener Flüchtling in Griechenland durchschlagen muss. Er hat es zum Glück geschafft, wieder nach Deutschland zurückzukommen und lebt jetzt in Dachau.

Zewar, Du bist ein Staatenloser aus Syrien und hast in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Wie bist Du nach Deutschland gekommen?

Unterwegs bin ich eigentlich seit 2007. Damals bin ich von Syrien nach Spanien geflogen. Ich bin noch im Flughafen festgenommen worden. Dann haben sie mir die Fingerabdrücke genommen und Photos gemacht. Und dann haben sie mich nach Syrien abgeschoben. Und das mit einem Pass, der auf eine andere Person ausgestellt war! In Syrien war ich dann erstmal fast ein Jahr im Gefängnis eines Geheimdienstes. Damals wurde mir auch angedroht, dass ich wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ angeklagt werde, wenn ich nochmal abgeschoben werden würde. Trotzdem habe ich mich wieder auf den Weg nach Europa gemacht. In Syrien habe ich als staatenloser Kurde keine Rechte und keine Zukunft. Von der Türkei bin ich dann mit dem Boot nach Samos [griechische Insel gegenüber der türkischen Küste] gefahren. Diese Überfahrt war sehr gefährlich, ich habe von vielen Toten gehört und selber gesehen, wie ein Baby ertrunken ist. Die Mutter ist darüber verrückt geworden.

Auf Samos haben sie mir wieder nur die Fingerabdrücke genommen, mir ein weißes Papier gegeben und mir gesagt, dass ich Griechenland innerhalb von 30 Tagen verlassen soll. Das habe ich dann auch gemacht, ich war nur 22 Tage in Griechenland. Ich bin dann weiter nach Italien und Anfang Januar 2009 war ich dann in Deutschland. Hier habe ich meinen Asylantrag gestellt.

Das war aber nicht das Ende deiner Reise?

Nein. Nach acht Monaten, am 8. September 2009, kamen um halb zehn Uhr morgens zwei Zivilpolizisten zu mir und gaben mir den Abschiebebescheid für Griechenland. Ich habe sie gefragt, warum ich abgeschoben werde. Sie antworteten nur, dass ich schon in Griechenland Asyl beantragt hätte. Aber das stimmt gar nicht! Wenn ich in Griechenland auch nur eine kleine Chance gehabt hätte, Asyl zu beantragen, dann hätte ich das sofort gemacht.

Warte mal kurz, Du hast erst von Deiner Abschiebung erfahren, als sie Dich abgeholt haben?

Ja. Den Bescheid des Bundesamtes hat mir die Polizei in die Hand gedrückt. Um halb eins saß ich schon im Flugzeug, am Nachmittag war ich in Athen. Die wollten mich einfach los werden, die hatten auch schon vorher versucht, mich nach Spanien abzuschieben. Die haben gesehen, dass ich da schon mal war. Aber die Spanier haben gesagt, dass sie mich schon abgeschoben haben und nichts mehr mit mir zu tun haben.

Und wie ist es dir in Athen ergangen?

Ich wurde erstmal für drei Tage am Flughafen ins Gefängnis gesperrt. Die Wärter waren sehr unfreundlich, und es gab auch nur einmal am Tag Essen, das haben die uns einfach so vor die Füße geworfen. Wir durften nichts fragen, wir durften nicht rauchen, und es hat mich alles einfach an das Gefängnis des syrischen Geheimdienstes erinnert. Sie wollten mir noch einen Asylantrag mit falschen Angaben unterschieben, aber ich habe ihnen gesagt, dass ich nicht unterschreibe. Dann halt nicht, meinten sie nur.

Ohne jegliche Unterstützung landete ich dann auf der Straße in Athen. Zusammen mit einem anderen Kurden, der gerade aus der Schweiz abgeschoben worden war, habe ich mich durchgeschlagen. Die erste Nacht verbrachten wir im Park, mehr wachend als schlafend. Zum Glück haben wir ein paar andere Kurden getroffen, bei denen konnten wir für ein paar Tage unterkommen, bis uns unsere Familien etwas Geld geschickt haben. Wir haben uns dann für 100 EUR pro Person zusammen eine Couch für jeweils zehn Tage gemietet, wir haben uns abgewechselt, denn einer musste immer auf dem Boden schlafen.

Nach drei Monaten habe ich es dann endlich geschafft, aus Griechenland wegzukommen und ging nochmal nach Deutschland: Am 7. Dezember war ich wieder da.

Du wolltest nicht in Griechenland bleiben?

Schau mal, ich suche doch nur ein Ort, wo ich bleiben kann, wo ich einen Ausweis kriege und wo die Menschenrechte beachtet werden. In Griechenland, da leben so viele MigrantInnen auf der Straße, Tausende bestimmt. Die, die ein bisschen Geld haben, mieten sich was, so wie ich. Aber die allermeisten schlafen in Parks, oder auf der Straße. Nicht einmal Familien werden vom Staat unterstützt. Die Bevölkerung ist zwar viel netter als Polizei und Behörden, aber allgemein hatte ich das Gefühl, dass die selber ihre Probleme haben, mit denen sie beschäftigt sind. Und dass sie sich auch wundern, warum der Staat nichts macht.

Ich bin unglaublich deprimiert geworden in Griechenland. Ich hatte den ganzen Tag nichts zu tun, man geht ein bisschen spazieren, setzt sich, steht wieder auf, geht weiter. Keine Perspektive. Ich hatte diese Hoffnung, endlich mal in Sicherheit zu sein, und ein bisschen Rechte zu haben. Aber es war noch viel schlimmer als in der Heimat. Hier in Deutschland darf ich zwar auch nicht arbeiten, aber es ist besser als Spanien und Griechenland.

Warst Du mal in der Petrou Ralli Straße, da, wo man Asylanträge stellen kann?

Ja, das habe ich auch zweimal probiert. Ich kam da an, und da gab es hier eine Schlange mit Leuten, die anstanden, und dort eine Schlange, und noch eine dort…unendlich viele Menschen, ich konnte sie gar nicht mehr zählen. Keine Chance, reinzukommen. Pro Tag haben das vielleicht 75 Leute geschafft. Ich habe die gefragt, was da drinnen genau passiert. Die haben mir gesagt, sie haben eine rosa Karte gekriegt, und dass sie in sechs Monaten wieder kommen sollen. Was soll das denn sein! Und trotzdem, draußen haben sich die Leute zum Teil geprügelt um die Plätze in der Schlange, und die Polizei hat einfach nur zugesehen.

Du wolltest mir noch die Geschichte von Deinem Cousin erzählen.

Ja, mein Cousin. Den habe ich seit 2008 nicht mehr gesehen. Der ist auch auf dem Weg nach Europa, aber der hat versucht, über die Landgrenze zwischen der Türkei und Griechenland, im Norden, zu gehen. Kaum war er in Griechenland, wurde er festgenommen und in der Nacht in die Türkei abgeschoben. Die türkische Polizei hat ihn sofort wieder nach Griechenland abgeschoben. Dort haben ihn die Polizisten erst verprügelt und dann für fast sechs Monate ins Gefängnis gesteckt. Ein Anwalt hat ihn rausgeholt. Ihm haben sie dann auch gesagt, er soll Griechenland innerhalb von 30 Tagen verlassen. Aber dass hat er bis jetzt nicht geschafft. Er sitzt in Athen. Ich hoffe sehr, dass er es bald auch schafft, weiterzukommen.

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