…gegen die Dublin II-Abschiebungen nach Griechenland
Ausgangspunkt ist zunächst eine erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit zu Griechenland, die bereits 2007 von Pro Asyl initiiert und kontinuierlich fortgesetzt wurde und die mit dem Nobordercamp auf Lesbos und den Bildern aus dem Internierungslager Pagani im letzten Jahr weitere Dynamik gewonnen hat. Nachdem bereits seit 2008 immer wieder Gerichte Abschiebungen nach Griechenland gestoppt hatten, hat ab September 2009 auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in mittlerweile neun Fällen die vorläufige Aussetzungen bestimmt. Frühestens im Sommer 2010 ist mit einer grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen. Das BMI hält weiterhin mit Zähnen und Klauen an den Abschiebungen nach Griechenland fest. Denn wenn es gelingt, die Abschiebungspraxis in dieses – für die Vorverlagerung der Migrationskontrolle zur Zeit bedeutendste EU-Land an der südlichen Außengrenze – zu Fall zu bringen, gerät das gesamte Dublin-System in Frage. Das BMI hat unlängst die Landesinnenministerien davor gewarnt, den Vollzug der Abschiebungsbescheide des Bundesamtes auszusetzen, so wie Bayern und Baden-Württemberg dies bereits getan haben. Die z.T. höchstrichterlichen Entscheidungen seien als „Einzelfälle“ zu betrachten.
Griechenland hatte 2009 Polen als Zielland Nr. 1 für Dublin-II-Rückschiebungen abgelöst. Fast 25 % der Überstellungsersuchen wurden 2009 an Griechenland gerichtet. Mittlerweile steht der Apparat zwar weitgehend still. Wer sich als Betroffener einen guten Anwalt leisten kann, braucht momentan kaum zu befürchten, nach Griechenland zurückgeschoben zu werden. Gleichwohl bleiben diejenigen gefährdet, die in Haft sind oder sich keinen Anwalt nehmen können. Bundespolizei und Behörden haben weiterhin den rechtlichen Spielraum, Rückschiebungen zu vollziehen und Haft zu verhängen. Zudem verlängert sich durch den Zwang, in jedem Einzelfall per Eilantrag gerichtlich vorzugehen, die Überstellungsfrist um sechs Monate und damit die Möglichkeit, die Abschiebungsdrohung aufrechtzuerhalten.
Eine offizielle Aussetzung der Abschungen nach Griechenland würde alle Flüchtlinge, die durch Griechenland eingereist sind, endgültig vor Rückschiebungen schützen. Auf europäischer Ebene hätte dies eine Signalwirkung, denn auch in einigen anderen EU-Ländern wackeln die Dublin-II-Abschiebungen nach Griechenland. Die aktuelle Entwicklung in Griechenland dürfte dazu beitragen, die brutale Sturheit des BMI öffentlich skandalisierbar zu machen. Zwar hat die neue griechische Regierung diverse Reformen versprochen, doch selbst wenn diese Pläne in den nächsten Monaten in neue Gesetze und Verordnungen münden, werden diese auf lange Zeit die katastrophale Lage in Griechenland nicht ändern. Bis die nötige Infrastruktur zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen geschaffen ist, werden noch Jahre vergehen, zumal sich der griechische Staat am Bankrott entlang hangelt. Währenddessen setzt die Europäische Union auf weitere Vorverlagerung und Repression, um Flüchtlinge daran zu hindern, überhaupt Griechenland zu erreichen. Die Türkei als zentrales Transitland soll unmittelbar in die Migrationskontrolle eingebunden werden und in Griechenland wird in diesem Jahr die bislang größte Frontex-Operation starten. Die Situation wird absehbar erneut und weiter eskalieren, wenn im Frühjahr dennoch wieder Tausende in die Boote steigen, um auf die griechischen Inseln zu gelangen. So wichtig die Unterstützung der Flüchtlinge auf dem Weg nach und in Griechenland ist, so entscheidend ist gleichzeitig, dass sie sich innerhalb der EU weiter durchschlagen können.
Die Praxis der Dublin-II-Abschiebungen in Deutschland, der treibenden Kraft der Vorverlagerungspolitik, weiter zurück zu drängen oder gar ganz auszuhebeln, erscheint uns insofern als eine vorrangige Aufgabe. Denn einerseits würden gerade wegen der zentralen Stellung Deutschlands andere Mitgliedsstaaten folgen und damit das Dublin II-System weiter erschüttern, andererseits ist die Situation der Flüchtlinge ein Resultat europäischer, nicht griechischer Politik, weswegen wir alle aufgefordert sind, uns für eine schnelle Änderung einzusetzen.
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