FRONTEX will 2010 die Fluchtrouten nach Griechenland blockieren und Abschiebungen forcieren
Wurden 2008 noch 120.000 irreguläre MigrantInnen in Griechenland aufgegriffen, so stieg diese Zahl auf 150.000 im Jahr 2009. Mit der Abschottung anderer großer Migrationsrouten nach Europa (Westafrika nach Spanien, Libyen nach Italien/Malta) wird Griechenland somit zum wichtigsten und umkämpftesten Feld der irregulären Migration und ihrer Bekämpfung durch die Europäische Union. Die griechische Küste ist jedoch kaum kontrollierbar, die griechischen Inseln liegen so nah an der türkischen Küste, dass ein Überqueren der Meeresengen auf vielfältige Art und Weise möglich ist. Zehntausende Menschen werden sich auch im Sommer 2010 auf den Weg machen, um über die Inseln in Richtung Nord- und Westeuropa zu gelangen, auf der Suche nach Zuflucht und einem besseren Leben.
So ist es kein Zufall, dass die europäische Grenzschutzagentur Frontex stolz angibt, im Jahr 2010 die größte Operation seit ihrer Schaffung durchzuführen. Dabei kann einerseits davon ausgegangen werden, dass Frontex und die griechische Küstenwache ihre vielfach dokumentierten, brutalen Abschreckungsmaßnahmen fortsetzen werden: wenn möglich abfangen und zur Umkehr zwingen. Skrupellos wird dabei das Ertrinken von Flüchtlingen in Kauf genommen. Dokumente von Frontex und Pläne der griechischen Regierung zeigen jedoch, dass dieser schon bisher nicht erfolgreiche Ansatz um eine weitere Komponente ergänzt werden soll. Die Kapazitäten zur Internierung, Identifizierung und Abschiebung von Flüchtlingen und MigrantInnen sollen, vor allem mit Know-How von Frontex, erheblich ausgebaut werden. Dazu plant die griechische Regierung so genannte „Screening Centres“ auf den Inseln, nahe der Landgrenze zur Türkei und in der Region Athen zu bauen. Auch in diesen Zentren sollen Flüchtlinge interniert werden, um das Auseinandersortieren von „echten Flüchtlingen“, die ein Asylverfahren durchlaufen können und „illegalen MigrantInnen“, die schnellstmöglich identifiziert und in die Türkei zurück- bzw. in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollen, durchzuführen. Auch wenn Griechenland kurz vor dem Staatsbankrott steht: die Abwehr von Flüchtlingen, die zumeist nach Norden weiterreisen, wird sich die Europäische Union gerne etwas kosten lassen.
So steht auch Frontex schon Gewehr bei Fuß und wird in Kürze ihr erstes Regionalbüro in Piräus eröffnen, von dem aus alle Aktivitäten in der Region koordiniert werden sollen. Im Rahmen der Operation „Attica“ will Frontex verstärkt Charterabschiebungen aus Griechenland in die Herkunftsstaaten durchführen. Die Operation startete vor einigen Monaten im Internierungslager auf der Insel Samos. Neuankömmlinge wurden von den Frontex-Beamten mithilfe eigener Übersetzer ausgefragt und dann sogleich im Flugzeug nach Athen zur weiteren Abschiebung transportiert.
Wir werden 2010 also eine massive Modernisierung des Systems der Flüchtlingsbekämpfung in Griechenland erleben. Anstatt auf direkte Abschottung an der Grenze zu setzen, geht es nun darum, Flüchtlinge und MigrantInnen auch im Inneren Griechenlands nicht mehr zur Ruhe kommen zu lassen. Modernisiert wird auch das System der Internierungslager: Bilder von in engen Zellen eingepferchten Kindern, wie sie letztes Jahr aus dem Gefängnis Pagani in Lesbos um die Welt gingen, will die neue griechische Regierung vermeiden. Derzeit wird der Einsatz von Holzpavillions (ein Überbleibsel der Olympischen Spiele) und von Containern diskutiert.
Das Gefängnis von Pagani wurde, nachdem es von August bis Oktober 2009 zu permanenten Revolten gekommen war, geschlossen. „Die dortigen Wände wissen nun, wie erfolgreiche Revolten gehen und sie werden es weitererzählen“, sagt der 17-jährige Said, der drei Monate in Pagani inhaftiert war. Doch nicht nur die Wände wissen um den erfolgreichen Kampf gegen ein menschenverachtendes System: die MigrantInnen und AktivistInnen, die sich im Sommer 2009 auf Lesbos im Nobordercamp trafen, tragen das Wissen um die Revolte weiter. Die Zukunft des europäischen Systems der Flüchtlingsbekämpfung ist noch lange nicht entschieden.
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