#1: April 2010

Kampagne gegen Dublin II – Newsletter #1 vom 28. April 2010

Jetzt mitmachen: Email- und Fax-Kampagne an die fünf Hauptverantwortlichen in Berlin, Nürnberg und Dortmund – die fortgesetzten Abschiebungsversuche nach Griechenland sofort stoppen!

außerdem in diesem Newsletter: Kampagnenstart mit Massenzeitung und neuer Webseite +++ erste Protestaktion beim zuständigen Staatssekretär Ole Schröder in Hamburg +++ Aktuelle Anfrage der Linksfraktion im Bundestag +++ „Memorandum of Understanding“ mit Griechenland, neuer Verbindungsbeamter in Athen +++ Frontex in der Ägäis, Hungerstreik auf Samos +++ Weitere Planungen für Mai/Juni +++ Weitere Materialien

Liebe Leute!

Mit der Veröffentlichung und Verteilung unserer Massenzeitung haben wir Ende März die Kampagne gegen die Rückschiebungen nach Griechenland gestartet. Auf der gleichzeitig neu eingerichteten Webseite findet sich zudem eine zusammenfassende Begründung dafür, warum es wichtig und sinnvoll ist, jetzt den öffentlichen Druck weiter zu erhöhen. ► http://dublin2.info/

Protestaktion in Hamburg
Ausgerechnet in Hamburg, wo sich unlängst David M., ein von Dublin II-Abschiebung bedrohter georgischer Flüchtling, in Abschiebehaft umgebracht hat, wollte Innensenator Aalhaus am 13.4. in einer PR-Veranstaltung zu „Neuen Gefahren und neuer Sicherheit“ diskutieren. Eingeladen war mit dem Staatsseketär Ole Schröder zudem einer der Hauptverantwortlichen im Bundesinnenministerium für den harten Kurs bei den Rückschiebungen nach Griechenland. Bei der erfolgreichen Protestaktion waren deshalb auch Transparente gegen Dublin II im Saal. ► http://go.dublin2.info/hamburg

Email-/Fax-Kampagne an die Verantwortlichen in Berlin, Nürnberg und Dortmund
Das Bundesinnenministerium (BMI) in Berlin trägt die politische Verantwortung für die Dublin II-Abschiebungen, denn von hier kommen die zentralen Weisungen. Was hier entschieden wird, setzen Bundesamt und Bundespolizei um. Hauptverantwortlich sind somit Bundesinnenminister Thomas de Maizière und der zuständige Staatssekretäre Ole Schröder. Das Nürnberger Bundesamt für Migration führt die Oberaufsicht über Dublin II und bearbeitet Fälle mit grundsätzlicher Bedeutung. Verantwortlich sind hier einerseits der Bundesamtseiter Albert Schmid, aber auch die Dublin-Referatsleiterin Iris Escherle. Die konkreten Übernahmeersuchen organisiert in der Dortmunder Außenstelle das Referat 431 unter seinem Leiter Axel Christof, der als Hardliner bekannt ist. In einer Email- und Faxkampagne wollen wir diesen fünf maßgeblichen Personen in den nächsten Wochen möglichst nachhaltig deutlich machen, dass wir die Dublin II-Abschiebung insbesondere nach Griechenland nicht widerspruchslos hinnehmen und sie zur sofortigen Aufgabe dieser von ihnen zu verantwortenden Praxis auffordern. Dazu haben wir auf der Kampagnenwebseite zwei Beispiele vorformuliert, die ihre jeweiligen Ämter und Funktionen berücksichtigt. Wir bitten alle, sich ein wenig Zeit zu nehmen, und sich mit diesen Beispielen oder besser noch eigenen Schreiben an der Kampagne zu beteiligen. Anbei die jeweiligen Faxnummern und Emailadressen:

Thomas de Maizière: Telefax 030/22776626, Email thomas.demaiziere@bundestag.de
Ole Schröder: Telefax 04101/585378, Email ole.schroeder@wk.bundestag.de
Albert Schmid: Telefax 0911/9431000, Email albert.schmid@bamf.bund.de
Iris Escherle: Telefax 0911/9438095, Email iris.escherle@bamf.bund.de
Axel Christof: Telefax: 0231/9058199, Email axel.christof@bamf.bund.de

Weblink zu den Beispielbriefen:
http://dublin2.info/faxkampagne/bamf
http://dublin2.info/faxkampagne/bmi

Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag
Aktuelle Zahlen aus den Antworten des BMI auf eine erneute parlamentarischen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag belegen: Die Verantwortlichen halten „mit Klauen und Zähnen“ daran fest, Flüchtlinge nach Griechenland abschieben zu wollen. Von November ’09 bis Februar ’10 gab es erneut hunderte von Rückübernahmeersuchen und immerhin 741 Zustimmungen aus Griechenland. Allerdings gab es im gleichen Zeitraum nur 10 erfolgte Abschiebungen, offensichtlich weil Länder- und Ausländerbehörden auf diese Abschiebungen verzichteten oder diese Entscheidungen von Gerichten aufgehoben wurden. Im letzteren Fall bleibt die Abschiebedrohung bestehen, weil die Abschiebung nur bis zur Grundsatzentscheidung in Karlsruhe ausgesetzt ist. Besonders zynisch lautet die Antwort auf die Anfrage nach dem Rechtsschutz der Betroffenen: Weil diese ja wüssten, dass sie sich im Dublin-Verfahren befinden, bräuchten ihnen die Abschiebebescheide auch nicht vorher zugestellt werden. Die Anfrage und Antworten im Wortlaut: ► http://go.dublin2.info/anfrage

„Memorandum of Understanding“ mit Athen, neuer Verbindungsbeamte für Dublin II
Laut eigenen Angaben hat Bundesinnenminister de Maizière am 1. April 2010 mit dem griechischen Minister für Bürgerschutz, Michalis Chryssohoidis, ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, das den Austausch von Verbindungspersonal für den Asylbereich zwischen Griechenland und Deutschland regelt. „Ein wichtiger Baustein der verstärkten Zusammenarbeit im Asylbereich zwischen Deutschland und Griechenland wird der Austausch von Verbindungspersonal sein, wie er bereits mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union üblich ist. Der Einsatzbereich der Verbindungsbeamten erstreckt sich auf den Austausch von Informationen über Abläufe im Asylverfahren der jeweiligen Länder und die Unterstützung bei der bilateralen Zusammenarbeit, etwa im sog. Dublin-Verfahren“! Der Verbindungsbeamte soll schon im April seine Arbeit aufnehmen, und auch Bundesamtsleiter Albert Schmid ist im April nochmal nach Athen gereist. Offensichtlich wird zur Zeit auf allen Ebenen Druck gemacht und nach Möglichkeiten gesucht, Griechenlands Dublin-II-Kompatibilität sicherzustellen bzw. sie zumindest so darzustellen. Denn die griechische Regierung, die mit den Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu kämpfen hat, wird frühestens im Sommer über die angekündigten neuen Asylgesetze entscheiden, ganz zu schweigen von deren Umsetzung.

Frontex in der Ägäis, Hungerstreik der Flüchtlinge auf Samos
Frontex war und ist in Griechenland mit der Operation „Poseidon“ vor allem an den Abfangpatrouillen auf See beteiligt. Wo die an der Insolvenz entlanghangelnde Regierung überfordert scheint, bietet Frontex mit EU-Mitteln nun aber auch den Import eines modernen Abschieberegimes quasi als Nothilfe an. Unter ihrer Anleitung soll ein effektives Selektions- und Abschiebungssystem auf den Inseln etabliert werden, begonnen wurde zunächst auf Samos. Vor diesem Hintergrund kam es im dortigen Internierungslager im April zu ersten Hungerstreiks der inhaftierten Flüchtlinge. ► http://w2eu.net/

Pressearbeit und weitere Informationssammlung
Die Pressearbeit für die Kampagne kann und will nicht von zentraler Stelle aus geleistet werden. Vielmehr sind alle Initiativen gefragt, eigene Pressearbeit zu machen und damit Dublin II auch jeweils vor Ort öffentlich zu thematisieren. Weiter möchten wir nochmal dazu auffordern, vor Ort über Beratungsstellen oder in Abschiebehafteinrichtungen nachzufragen und zu recherchieren, wie die Praxis der Dublin II-Abschiebungen abläuft. Interessiert sind wir vor allem an beispielhaften Fällen, die die skandalöse Dublin II-Problematik illustrieren und wo die Betroffenen bereit sind, in die Öffentlichkeit zu gehen. Wenn ihr nicht selbst die Kapazitäten für Öffentlichkeitsarbeit habt, möchten wir euch bitten, interessante Fälle an uns weiter zu leiten.
Unsere Kontaktadresse: ► kampagne@dublin2.info.

Weitere Planungen für Mai/Juni
Informationsveranstaltungen zu Dublin II sind im Mai zumindest in Dortmund und Frankfurt in Planung. Ende Mai findet dann in Hamburg die nächste Innenministerkonferenz statt, dort soll u.a. gegen die Dublin-II-Rückschiebungen protestiert werden. Eine zeitgleiche Protestaktion ist vor dem hauptverantwortlichen Bundesamt in Dortmund geplant. Und Anfang Juni gibt es während des Karawane-Festivals in Jena eine weitere Gelegenheit, das Unrecht des Dublin-Regimes zum öffentlichen Thema zu machen.

Auch lokale Aktionen, die auf die Dublin II-Problematik aufmerksam machen, sind wichtig. Unsere Massenzeitung, die immer noch bestellt werden kann, eignet sich besonders gut zum Verteilen während solcher Aktionen.

Alle aktuellen Daten und Termine auf der Kampagnenwebseite ► http://dublin2.info/
Unsere Kontaktadresse: ► kampagne@dublin2.info

Ein nächster Newsletter wird Mitte Mai erscheinen.

Weitere Materialien
Das EU-Büro von Amnesty International hat einen Bericht zur Situation von Flüchtlingen in Griechenland veröffentlicht: Flüchtlinge werden in Griechenland teilweise unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten, sie haben keinerlei Chancen auf ein faires Asylverfahren und sind in Gefahr, in Länder abgeschoben zu werden, in denen ihnen Folter und Verfolgung drohen. Amnesty kritisierte anlässlich der Veröffentlichung, dass Deutschland im Rahmen der Dublin-II-Verordnung trotzdem Asylsuchende nach Griechenland zurückschiebt, obwohl die Situation bekannt ist und das Bundesverfassungsgericht derlei Rückführungen bereits mehrfach vorläufig gestoppt hat. ► http://go.dublin2.info/ai

Im Auftrag von Juristen- und Menschenrechtsorganisationen wurde inzwischen ein Rechtsgutachten zu verfassungs- und europarechtlichen Fragen im Hinblick auf Überstellungen an Mitgliedstaaten im Rahmen der Dublin II-Verordnung erstellt und beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Der Autor, Rechtsanwalt Dr. Reinhard Marx, kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass die Drittstaatenregelung des Artikels 16 a Abs. 2 GG für die Beurteilung von Dublin-Entscheidungen nicht relevant ist, da sie von höherrangigem Europarecht verdrängt werde. Dublin-Überstellungen könnten wegen drohender Zurückweisung ins Herkunftsland unzulässig sein, wobei dann eine Pflicht zum Selbsteintritt bestehe. Eine solche Pflicht zum Selbsteintritt gebe es auch, wenn in dem anderen Mitgliedstaat der wirksame Zugang zum Asylverfahren und eine objektive unparteiische und sorgfältige Prüfung der Asylkunde ebenso wenig gewährleistet sei wie eine menschenwürdige Unterbringung. Aus dem Grundrecht auf effektiven Rechtschutz, dass durch die Grundrechtecharta, die EMRK und das Grundgesetz gewährleistet sei, ergebe sich, dass der Vollzug einer Dublin-Entscheidung durch einstweilige Anordnung aussetzbar sein müsste. § 34a Abs. 2 AsylVfG, der eine Suspensivwirkung von Rechtsmitteln gegen die Überstellung nicht zulasse, sei verfassungs- und europarechtswidrig. ► http://go.dublin2.info/marx

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